Sonntag, 14. Mai 2017

Meine ganz persönliche Geschichte, wie ich zur Berufsoberschule kam

„Fast 25 Jahre alt, und du weißt immer noch nicht, was du willst, Kind!“
Das und ähnliche Bemerkungen darf ich mir des Öfteren anhören, seit ich mich letzten September dazu entschlossen habe, meine Schulbildung zu erweitern und das Abitur nachzuholen. Das sorgte natürlich für viel Kopfschütteln in meiner Familie, denn ich habe schon zwei abgeschlossene Berufsausbildungen. Wozu brauche ich also überhaupt das Abitur?
Tja, manchmal geht es im Leben eben nicht immer geradeaus. Während meiner zweiten Berufsausbildung besuchte ich abends das Berufskolleg, um die Fachhochschulreife zu machen. Irgendwann musste ich mir eingestehen, dass ich mich mehr darauf konzentrierte, die Fachhochschulreife möglichst gut abzuschließen. Ich fühlte mich in der Schule einfach wohler als in meinem Betrieb, und die Aufgaben fielen mir leicht.

Das war nicht immer so gewesen. Ich war in der sechsten Klasse vom Gymnasium abgegangen, weil ich mich dort überhaupt nicht integriert gefühlt hatte. Meine Jugend war in vielerlei Hinsicht schwierig, und so hatte ich nach der Mittleren Reife auch zunächst keine Lust mehr auf Schule. Meine Ausbildung schloss ich gut ab. Meine Eltern waren stolz auf mich. Während andere meiner früheren Klassenkameradinnen erst einmal nach dem Abi auf einer beruflichen Schule ein Jahr ins Ausland gingen, um zu sich zu finden, verdiente ihre Tochter schon eigenes Geld.

Irgendwann stellte ich fest, dass ich von meinem „eigenen Geld“ leider nicht genug für eine Wohnung, ein Auto und einmal Urlaub im Jahr verdiente. Ich wohnte in einer Sechser-WG, hatte kein Auto und mehr als Camping war nicht drin im Urlaub. Von Sparen für die eigene Altersvorsorge ganz zu schweigen. So wollte ich nicht mein Leben verbringen.



Ich beschloss, eine zweite Ausbildung zu machen, von der ich mir ein besseres Gehalt versprach. Doch schon innerhalb kürzester Zeit merkte ich, dass das überhaupt nicht mein Ding war. Das Abendkolleg schon. Meine Lehrer bestärkten mich in meinem Wissensdurst.
Irgendwann stellte ich mich der Frage, was ich eigentlich gerne mache.
Was ist sinnvoll? Was kann ich mir mein Leben lang vorstellen, auszuüben? Ich war auf jeden Fall schon weiter als vorher, denn ich wusste: eine berufliche Ausbildung ist es nicht.

Um meine Ziele in die Tat umzusetzen und tatsächlich ein wissenschaftliches Studium anzutreten, musste ich die allgemeine Hochschulreife nachholen.
Ich informierte mich darüber, wo das geht und wie das alles abläuft.

Die Robert-Schuman-Schule hatte auch eine Berufsoberschule für Sozialwesen und dort meldete ich mich an. Für meine Eltern war es ein Albtraum. Während andere Eltern ihnen erzählten, dass ihre Kinder nun im vierten Semester Jura, Sport oder Archäologie studierten, war es für ihr Kind noch immer ein weiter Weg zur Selbstständigkeit.

Es wird wohl noch eine Weile dauern, bis sie akzeptiert haben, dass ihr Glück nicht auch mein Glück ist. Das, was sie sich für mich gewünscht haben, ist nicht zwangsläufig dasselbe, was ich mir von meinem Leben erwarte.

Was ist in der Berufsoberschule anders?





Bei Vielen in meiner Klasse gibt es schräge Lebensläufe. Das hält uns zusammen, wir haben gegenseitig viel Verständnis füreinander, wo Andere nur den Kopf schütteln würden. Wir wollen wirklich einen guten Bildungsabschluss und die meisten von uns wissen, wofür.

Unsere Klassenlehrerin sagte am ersten Tag zu uns :„Benehmen Sie sich wie Erwachsene, dann behandle ich Sie wie Erwachsene. Benehmen Sie sich wie Kinder und ich werde Sie wie Kinder behandeln.“

Das Verhältnis von Lehrern und Schülern ist respektvoller, viele Lehrer berichten, wie gern sie bei uns unterrichten. Unterricht ist fächerübergreifender, wir diskutieren viel über Tagespolitik und üben uns in Perspektivwechseln. Nicht selten überschneiden sich Psychologie und Biologie, Englisch und Gemeinschaftskunde, Mathematik und Biologie oder Volks- und Betriebswirtschaftslehre und Mathematik. Diese Vernetzung erleichtert das Lernen sehr.

Bis jetzt macht es sehr viel Spaß in dieser Gemeinschaft zu lernen. Jeder hat schon etwas Lebenserfahrung und kann diese einbringen. Das erste Jahr vergeht viel zu schnell und ist ziemlich intensiv.

Wer eine neue Perspektive sucht, noch kein Abi hat und nach der Ausbildung studieren will oder in seinem Job nicht mehr glücklich ist, für den ist diese Schule genau das Richtige. Sie führt in nur zwei Jahren zum Abitur und das ist genau die richtige Zeit, um sich zu erden und neu zu orientieren.






"Aber in der Beschäftigung selbst Vergnügen zu finden - dies ist das Geheimnis des Glücklichen!" - Sophie Mereau, Betrachtungen

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